Das Märchen vom jagdfreien Kanton Genf

Es war einmal im Jahre 1974 im Kanton Genf. Da wurde aufgrund einer Volksinitiative die Jagd verboten. Seitdem wird der Kanton Genf häufig als Paradebeispiel von Jagdgegnern für „jagdbefreite“ Gebiete herangezogen. Aber stimmt das eigentlich? Wird im Kanton Genf wirklich nicht gejagt?

Jedes Verbot muss irgendwo rechtsverbindlich niedergeschrieben sein. Richtig ist, dass in der Genfer Verfassung folgender Gesetzesparagraph eingefügt wurde: Artikel 178A(69) Absatz 1 verbietet „…die Jagd auf Säugetiere und Vögel in jeglicher Form auf dem ganzen Genfer Territorium.“ Das stellt in der Tat ein Verbot der Jagd dar. Gerne wird von den Jagdgegnern aber übersehen, dass Absatz 2 das Verbot wieder teilweise aufhebt: „Die Regierung kann, gestützt auf die Beschlüsse einer vorberatenden Kommission, bestehend aus Tier- und Naturschutzkreisen, das Jagdverbot zu Regulierungszwecken aufheben.“

Heute steht in der Verfassung von 2012: „Die Jagd auf Säugetiere und Vögel ist verboten. Amtliche Massnahmen zur Regulierung des Tierbestands bleiben vorbehalten.“ [2]. „Regulierung“ heißt: Es wird gejagt! (Siehe auch „Die Wahrheit vom jagdfreien Genf“ [1] Und so wurden im Zeitraum zwischen 2009 und 2015 im Kanton Genf 2.162 Wildschweine erlegt, durchschnittlich also 308 Stück pro Jahr. Moment mal, 308 Wildschweine auf 282 km²? Das sind rund 1,1 Wildschweine pro km². Die Hälfte davon ist sogar Stadtgebiet. Zum Vergleich: In Deutschland (Fläche 357.000 km²) wurden 2014 rund 475.000 Wildschweine erlegt, was einer Strecke von 1,3 Wildschweinen pro km² beträgt. Davon ist sogar weit weniger als die Hälfte Stadtgebiet, aber lassen wir das mal beiseite. Huch! Es werden also im „jagdfreien“ Kanton Genf flächenmäßig fast genauso viele Wildschweine erlegt wie in Deutschland. Da mag sich der Jagdgegner verwundert die Augen reiben.

Aber das sind ja keine „Hobbyjäger“ die im Kanton Genf jagen, wird der hartnäckige Jagdgegner dann argumentieren, sondern staatlich angestellte Wildhüter. Richtig. Kostet auch nur 98.200 € pro Jahr und Wildhüter, von denen es 12 an der Zahl gibt. Auf Deutschland umgerechnet wären das 3,6 Milliarden €, die man in staatlich angestellte Wildhüter investieren müsste. Dazu kämen die Entschädigungszahlungen für Wildschäden, wie sie im Kanton Genf an die Landwirte gezahlt werden, womit auf die BRD umgerechnet, die 4 Milliardengrenze locker überschritten werden dürfte. Zum Vergleich: Im Deutschen Bundeshaushalt entfielen in 2014 knapp 8 Milliarden € für das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend [3]. Ich glaube, in Anbetracht von Wohnungsnot und fehlender Kitaplätzen wäre nur ein verschwindend kleiner Teil der Bevölkerung dazu bereit, wenn ein Betrag, der fast der Hälfte des oben genannten Etats entspricht, für Wildhüter ausgegeben würde. Zum Glück ist die Realität in Deutschland anders: Der Staat verdient teilweise noch Geld an den Jägern und abgesehen von Bundes- und Landesforsten zahlen die Wildschäden in der Regel die Jagdpächter und nicht der Steuerzahler.

Übrigens: Zusätzlich zu den Kosten für die Wildhüter kommen in Genf noch die Ausgleichszahlungen an Landwirte für Schäden durch Feldhasen (30.000 bis 60.000 Franken pro Jahr) und durch Rehe (20.000 bis 80.000 Franken pro Jahr) dazu.

Quellenangabe:

[1] Jagdfreies Genf, die Wahrheit, http://www.jagderleben.de/die-wahrheit-vom-jagdfreien-genf

[2] Verfassung des Kanton Genf, https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/18470001/201309230000/131.234.pdf

[3] Haushaltsplan BRD, https://de.wikipedia.org/wiki/Bundeshaushaltsplan_(Deutschland)#Eckwerte_im_Bundeshaushaltsplan

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